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letzte Aktualisierung:
10/08/07

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Der keltische Kalender
 


Das Baumhoroskop der Kelten
von Peter Ripota
Jede Weissagekunst besteht aus zwei Teilen: einer Charakterkunde und einer Methode zur Voraussage der Zukunft. Besonders Letzteres war für alle Völker zu allen Zeiten von großer Wichigkeit. Die Kelten unter-
scheiden sich in ihren Methoden der Weissagung kaum von ihren räumlichen und zeitlichen Nachbarvölkern.
Sie warfen Holzstäbchen, ähnlich wie die Germanen mit ihren Runen. Sie benutzten, ebenso wie die Römer, die Betrachtung der Eingeweide von Schlachttieren (und manchmal auch von menschlichen Opfern) als Hinweise für die Zukunft, besonders für die militärische. Sehr geschmackvoll klingt die Methode nicht: Das Opfer wurde mit einem Dolchstoß unterhalb des Zwerchfells getötet, und aus der Art und Heftigkeit der Todeszuckungen und der Blutmenge wurde auf den Ausgang des Unternehmens geschlossen. Zur Deutung gehörte wohl viel Erfahrung und wenig Sensibilität.

Erfreulicher klingt die “Charakterkunde der Kelten”, auch als “
Baumhoroskop” bekannt. Den Kelten waren Bäu-
me heilig, denn in jedem Baum wohnte eine Gottheit. So nutzten sie deren Früchte und Säfte für ihre Zaubereien, wie jeder Asterix-Leser weiß. Sie aßen vor Weissagungen Eicheln und andere Früchte, um sich in Trance zu ver-
setzen, und in ihren Opferschächten fand man neben Schmuck und Speisen auch ganze Baumstämme. Zwischen dem ersten und zweiten Jahrhundert n.Chr. erfanden sie auch eine Art Schrift, die Ogham-Schrift. Dei einzelnen Buchstaben wurden nach Bäumen genannt - und die hatten alle einen Charakter, der sich auf den Jahresabschnitt übertrug, in dem jemand geboren wurde. Weil sie aber mehr als zwölf Baumarten kannten, gibt es im keltischen Horoskop nicht zwölf Zeichen imJahreslaut, sondern mehr, die in unserer Tabelle kurz charakterisiert sind:  
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Das keltische Baumhoroskop

Baumart

Geburtsdaten

seine Stärken

Apfelbaum

23.12.-1.1.

25.6.-4.7.

Liebe

Tanne

2.1.-11.2.

5.7.-14.7.

Geheimnisvolles

Ulme

12.1.-24.1.

15.7.-25.7.

Gute Gesinnung

Zypresse

25.1.-3.2.

26.7.-4.8.

Treue

Pappel

4.2.-8.2.

5.8.-13.8.

1.5.-14.5.

Ungewissheit

Zürgelbaum

9.2.-18.2.

14.8.-23.8.

Zuversicht

Kiefer

19.2.-28.2.

24.8.-2.9.

Wählerisches Wesen

Weide

1.3.-10.3.

3.9.-12.9.

Melancholie

Linde

11.3.-20.3.

13.9.-22.9.

Zweifel

Eiche

21.3.

Robuste Natur

Ölbaum

23.9.

Weisheit

Haselnuss

22.3.-31.3.

24.9.-3.10.

Außergewöhnliches

Eberesche

1.4.-10.4.

4.10.-13.10.

Feingefühl

Ahorn

11.4.-20.4.

14.10.-23.10.

Eigenwilligkeit

Nussbaum

21.4.-30.4.

24.10.-2.11.

Leidenschaft

Kastanie

15.5.-24.5.

12.11.-21.11.

Redlichkeit

Esche

25.5.-3.6.

22.11.-1.12.

Ehrgeiz

Hainbuche

4.6.-13.6.

2.12.-11.12.

Guter Geschnmack

Feigenbau

14.6.-23.6.

12.12.-21.12.

Empfindsamkeit

Eibe

3.11.-11.11.

Vitalität

Birke

24.6.

Schöpferisches

Buche

22.12.

Gestalterisches

 

Es leuchtet also ein, dass die Weide für “Melancholie” und die Eiche für einerobuste Natur steht, während die anderen Zuordnungen mehr oder minder willkürlich erscheinen beziehungsweise von der jeweiligen Mythologie abhängen. ...

Doch woher kennen wir eigentlich das Horoskop der Kelten?
Schließlich sind von den Kelten so gut wie keine schriftlichen Aufzeichnungen bekannt,
was wohl auch damit zusammenhängt, dass das Wissen der Druiden größter Geheimhaltung unterlag
und nur mündlich auf ihre Schüler übertragen wurde.

Anfang der 1980er-Jahre erhielt der Smaragd-Verlag ein in Polnisch verfasstes Manuskript über das keltische Baumhoroskop. Zahlreiche andere Verlage sowie eine große deutsche Zeitschrift brachten das Baumhoroskop ins Bewusstsein der esoterisch gesinnten Bevölkerung - und weigerten sich Lizenzen zu zahlen, da es sich ja um ural-
tes und damit freies Gedankengut handle. So begann der Verlag nach den Ursprüngen des polnischen Manuskripts zu forschen - mit erstaunlichen Resultaten: Das Manuskript war von einem polnischen Gartenkalender abge-
schrieben worden. Der wiederum hatte seine Ideen von der französischen Frauenzeitschrift “Marie Claire”.
Anfang der 1970er-Jahre war die Kulturjournalistin Paule Delsol von der dortigen Radaktion beauftragt worden, neue “alte” Horoskope zu entwickeln.
Als erstes entwickelte die findige Schreiberin ein “gallisches” Horoskop, das bei uns als “Keltenhoroskop” be-
kannt wurde. Weitere Horoskope folgten, darunter ein “arabisches” und ein “tibetisches”. Das “keltische” Horoskop war auch Grundlage für ein “indianisches” Horoskop. Dass einer vom anderen abschrieb, war leicht nachzulesen: Madame Delsol verwendete ursprünglich den in Frankreich beheimateten, in Polen aber unbekann-
ten “Zürgelbaum”. Der wurde ins Polnische (und von da ins Deutsche) als “Zeder” übersetzt.
Fazit: ein historisch verbürgtes Keltenhoroskop existiert nicht

Und was lernen wir daraus?
Dass Horoskope Erfindungen von Menschen für Menschen sind und wir sie verwenden sollten, wenn sie uns nützen. Ob das für das Baumhoroskop zutrifft, kann jeder Leser selbst entscheiden. Dem
Verfasser dieses Artikels jedenfalls hat seine Charakterisierung als “Haselnuss” aus der Seele gesprochen.

aus: P.M. History. September 2003, 58 f.

 

Peter Ripota -Wissenschaftsredakteur und Astrologe